Unsichtbare Stellplatzschätze

Ein Beispiel aus Köln zeigt wie groß das Potenzial privater Parkflächen wirklich ist.

Wer in verdichteten Stadtquartieren unterwegs ist, erlebt es täglich: Parkplätze fehlen, Rettungswege sind zugeparkt, Lieferverkehr blockiert Kreuzungen – und die Stimmung ist gereizt. Doch während der öffentliche Raum vielerorts am Limit ist, bleiben tausende private Stellplätze ungenutzt. In Tiefgaragen, Innenhöfen und auf Stellflächen von Wohn- und Gewerbeimmobilien finden sich selbst zu Spitzennutzungszeiten große Leerstände.

Eine neue Studie aus dem Kölner Agnesviertel – durchgeführt von der ampido GmbH, Deutschlands führendem Anbieter für die Mehrfachnutzung von Parkplätzen – zeigt nun erstmals, wie groß dieses Potenzial tatsächlich ist. Und die Ergebnisse sind deutlicher, als viele vermuten würden.


1. Ein Quartier am Limit – und trotzdem voller Platz

Das Agnesviertel ist eines der am stärksten verdichteten Wohnquartiere Kölns. Rund 18.000 Menschen leben hier auf engem Raum, der Parkdruck ist extrem. Im Viertel existieren rund 2.750 öffentliche Stellplätze. Einige davon werden jedoch – wie in vielen deutschen Städten – aus Sicherheitsgründen zurückgebaut, etwa um Rettungswege freizuhalten. Die Folge: noch weniger Abstellmöglichkeiten für Autos im öffentlichen Raum.

Doch genau hier beginnt das Paradox.

Die Studie zeigt: Neben den öffentlichen existieren allein im Agnesviertel mehr als 1.900 private Stellplätze, die bisher weder vollständig erfasst noch in das kommunale Parkraummanagement integriert waren.Und noch überraschender: Im Durchschnitt sind diese Stellplätze nur zu etwa 30 Prozent belegt – völlig unabhängig von Tageszeit oder Nutzungstyp. Selbst abends, wenn die Wohnnutzung normalerweise dominiert, stehen viele Stellplätze leer.


2. Innenhöfe und Tiefgaragen sind die größten „schlafenden Riesen“

Ein Blick in die Daten zeigt, wo die meisten Parkplätze und damit die größten Potenziale liegen:

  • Innenhöfe: 42,6 %
  • Tiefgaragen: 24,8 %
  • Außenstellplätze: 19,8 %
  • Einzelgaragen: 10,1 %
  • Parkhäuser: 2,6 %

Allein Innenhöfe und Tiefgaragen machen also fast zwei Drittel der verfügbaren Flächen aus. Das sind genau die Bereiche, die im öffentlichen Diskurs oft gar nicht auftauchen – obwohl sie räumlich nah, sicher, beleuchtet und technisch erschließbar sind.

Noch spannender wird es bei der Zuordnung zu Gebäudetypen:

  • Wohngebäude: 865 Stellplätze
  • Büro- und Verwaltungsgebäude: 422
  • Mischimmobilien: 377
  • Bildungs- und Kultureinrichtungen: 144
  • Hotels/medizinische Einrichtungen etc.: 94

Damit wächst das Bild noch weiter: Nicht nur Gewerbeimmobilien haben freie Kapazitäten – auch Wohnhäuser, Schulen, soziale Einrichtungen und kulturelle Orte besitzen erhebliche Reserven.


3. Mehrfachnutzung als Lösung – ohne Neubau, ohne Versiegelung

Die vielleicht wichtigste Erkenntnis der Studie:

➡️ Rund 1.300 Stellplätze sind technisch aktivierbar.
➡️ Dadurch könnten rechnerisch über 1.100 Stellplatzäquivalente sofort nutzbar gemacht werden.

Das bedeutet: Im Agnesviertel ließe sich der Parkraum fast um die Hälfte erweitern, ohne auch nur einen einzigen Quadratmeter neu zu versiegeln.

Zum Vergleich:

  • Neubaukosten pro Stellplatz in Tiefgaragen: ca. 76.500 €
  • Nachrüstung für digitale Zugänge: < 6 € pro Stellplatz (bei mittleren Anlagengrößen)

Oder anders gesagt:

Statt neuer Quartiersgaragen mit Kosten in Millionenhöhe lässt sich der benötigte Parkraum digital für wenige tausend Euro erschließen.


4. Warum werden diese Flächen bisher nicht genutzt?

Die Studie benennt drei zentrale Hürden:

Keine Transparenz
Viele Kommunen wissen schlicht nicht, wie viele private Stellplätze es gibt, wo sie liegen und wem sie gehören.

Technische Barrieren
Tore, Schranken und Schließsysteme verhindern spontane Nutzung – sind aber heute digital einfach nach- oder umrüstbar.

Rechtliche Unsicherheiten
Eigentümer:innen sind oft unsicher, was Haftung, Genehmigungen oder Versicherung angeht.

Diese Hindernisse sind real – aber sie sind lösbar.


5. Die gute Nachricht: Kommunen können sofort handeln

Die Studie liefert eine konkrete Methode, die sich wunderbar auf andere Städte übertragen lässt:

  • systematische Stellplatzerhebung (Vor-Ort, Luftbild, Schätzung)
  • einheitliche Klassifizierung (Typ, Zugang, Immobilientyp)
  • Aktivierbarkeits-Check (wirtschaftlich, technisch, rechtlich)
  • Simulation der Mehrfachnutzungs-Potenziale
  • digitale Umsetzung z. B. über Plattformen wie ampido

Parallel dazu wurde die Website www.mehrfachnutzung.org entwickelt – ein frei zugängliches Toolset, mit dem Kommunen, Initiativen und Privatpersonen eigene Erhebungen durchführen können.


6. Was bedeutet das für die Parkraumwende?

Die Ergebnisse zeigen deutlich:

  • Deutschland hat kein Parkraumproblem – sondern ein Verteilungsproblem.
  • Private Stellplätze sind ein riesiger, unterschätzter Hebel für Entlastung.
  • Digitale Mehrfachnutzung kann sofort wirken – ohne Baukosten und ohne Versiegelung.
  • Öffentliche Stellplätze können reduziert werden (z. B. für Rettungswege, Radwege, Grünflächen), ohne Mobilität einzuschränken.

Es geht also nicht darum, mehr Parkplätze zu schaffen, sondern existierende besser zu nutzen.


7. Unser Fazit

Die Parkraumwende braucht keine neuen Betonbauten, sondern bessere Daten, digitale Zugänge und eine klare Strategie. Das Beispiel Agnesviertel zeigt eindrücklich, wie groß das ungenutzte Potenzial ist – und wie einfach Kommunen, Eigentümer:innen und Plattformbetreiber gemeinsam Lösungen schaffen können.

Mehrfachnutzung ist kein Randthema – sie ist ein zentraler Baustein der Mobilitätswende.

Und sie beginnt, indem wir hinschauen: in Tiefgaragen, Innenhöfe und auf Stellplätze, die längst da sind – aber bislang für die Öffentlichkeit verschlossen bleiben.

Gastbeitrag

Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit der ampido GmbH. Wenn Sie mit ihrem Unternehmen, ihrer Initiative und ihrem Wissen auch zur Parkraumwende beitragen wollen kontaktieren Sie uns gerne für einen eigenen Gastbeitrag unter kontakt@parkraumwende.de.

Bilder: ampido GmbH

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert